US-Designer John Varvatos

John Varvatos, wie lerne ich mich besser kennen? «Indem du dich nicht zu sehr anstrengst»

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Smells Like Rock Spirit: Dark Rebel von John Varvatos – ein Duft, der riecht wie Jack White klingt. Was ihn dazu macht, hat uns der Designer im Keller seines Londoner Shops erklärt

John Varvatos sitzt im Keller seines Shops in der Conduit Street im Herzen Londons auf einer Ledercouch. Er trägt ein schwarzes Sakko, dunkle Jeans, Stiefel. Neben ihm der mexianische Parfumeur Rodrigo Flores-Roux. Gemeinsam haben sie den Duft „Dark Rebel“ entwickelt. Einen Duft, der uns irritiert und staunen lässt – Varvatos beschwört einen „Shit!-Moment“, eine Oh-mein-Gott-was-ist-denn-das-Großartiges?-Erfahrung, die in uns den Abenteurer mit Widerstandsgeist weckt. Nicht den Revolutionär, der aus gutem Grund in den Kampf zieht, nein, den „rebel without a cause“, einen wütenden, zornigen, tapferen Rocker (der entweder wirklich wütend, zornig und tapfer ist oder aber auch nur einfach so tut) – wir denken an einen Iggy Pop, einen Kurt Cobain und ja, auch an einen Jack White.

US-Designer John Varvatos
US-Designer John Varvatos

Rock’n’Roll ist nicht nur die entscheidende Dark-Rebel-Zutat (neben all dem Rauch und dem Leder und jamaikanischem Rum), für Varvatos selbst ist er Lebenselixier, wie er unumwunden zugibt. Die Fendergitarren aus den 1950er- und 1960er-Jahren, die an einer der Wände im Keller hängen, sind mehr als geiles Vintagezeugs, ebenso wie die kleine Bühne mit den Marshall-Verstärkern. Auf der wird am Abend der große Paul Weller Platz nehmen und im Gespräch mit Varvatos über seine eigene Kollektion (gekennzeichnet übrigens mit einem fünfzackigen Stern), seine sieben Kinder und natürlich seine Musik sprechen. Varvatos selbst ist vor kurzem in seine Heimatstadt „Detroit Rock City“ (Kiss) zurückgekehrt, hat einen Shop eröffnet, ein nach ihm benanntes Label vorgestellt. Also Hey ho, let’s go …

Wenn Dark Rebel nicht ein Duft, sondern ein Rockstar wäre, wäre er Iggy Pop oder Eminem oder Jack White? (Varvatos ignoriert Eminem, der wie die beiden anderen aus seiner Heimatstadt Detroit kommt, Anm.): Beide sind Freunde. Beide sind Rebellen. Und beide sind echte Rockstars. Aber ich denke, es ist Jack White. Er steht niemals still. Will Mauern niederreißen. Er muss auf die Bühne, um sich wohlzufühlen.

Wenn wir schon beim Mauern-Niederreißen sind: Kann uns ein Duft verändern? Ich glaube nicht, dass Kleidung oder ein Parfüm einen Menschen verändert, was sie dir aber geben, ist eine besondere Aura.

Mein Rebel folgt seinem eigenen Beat, seinem eigenen Rhythmus. Er ist kein Mitläufer. Er pfeift auf Logos. Er hat seinen eigenen Stil gefunden – es interessiert ihn nicht, was andere über ihn denken.

Cooler Flakon: Mit Lederband umwickelt
Cooler Flakon: Mit Lederband umwickelt

Dark Rebel haut dich beinahe um, wenn du ihn das erste Mal riechst, du denkst unweigerlich: Wow!

Das war die Idee.

Parfumeur Rodrigo Flores-Roux: Genau.

Varvatos: Ich habe zu Rodrigo gesagt, dass ich mir wünsche, dass alle, die Dark Rebel riechen, sagen: Shit, wow! Aber nicht weil sie abgestoßen sind, sondern weil sie es auf überraschend Art und Weise großartig finden. Wir wollten diesen Punch. Flores-Roux: Den Bad-Boy-Faktor. Varvatos: Wir wollten Hell und Dunkel vereinen.

Haben Sie deshalb auch Rum-Noten verwendet?

Flores-Roux: Neben Rauch und Leder auch ein bisschen Trunkenheit, warum nicht, kann auch befreien.

Es scheint, als würde Sie der Kontrast Licht / Finsternis enorm faszinieren, auch bei Ihrer Mailand-Show im Jänner gab es einen riesigen strahlenden Scheinwerfer. Was hat es damit auf sich?

Mich inspiriert meine Heimatstadt Detroit. Diese Stadt hat viele Veränderungen erlebt. Viele Wiedergeburten. Ich hätte nie gedacht, dass es diese Stadt noch einmal schafft. Und dann waren wir unterwegs, um ein Video zu drehen. Es war früh am Morgen, noch dunkel, und dann ist die Sonne aufgegangen – und aus aller dieser Dunkelheit ist auf einmal strahlendes Licht gekommen. Das war einfach großartig. Detroit wird in den nächsten fünf Jahren große Bedeutung bekommen.

Selbst nie Angst gehabt vor der Dunkelheit?

Aber sicher. Als ich ein Kind war, war ich bei einem Freund zu Besuch. Ich war zehn, vielleicht zwölf Jahre alt und wachte mitten in der Nacht auf – Sie wissen, Kinder schauen am Abend fern, trinken Soda, und in der Nacht wachen sie auf, weil sie aufs Klo müssen. Ich bin also aufgestanden und gegen Wände gerannt, weil ich nicht mehr wusste, wo ich war. Das war schrecklich, für eine paar Augenblicke fühlte ich mich völlig verloren.

Sie sind in Detroit Rock City, wie Kiss die Stadt in einem Song nennen, geboren, möchte man da nicht automatisch Rockstar werden?

Du musst Talent haben, um ein Rockstar zu werden.

Ich singe nicht gut, und ich kann nicht besonders gut Gitarre spielen.

Aber Sie tun es noch?

Ja, ab und zu werde ich eingeladen, bei einem Konzert auf die Bühne zu kommen. Ich dreh’ dann immer die Lautstärke zurück, damit niemand hört, ob ich gut oder schlecht spiele.

Wie sehr hat Sie Rockmusik beeinflusst?

Musik ist der größte Einfluss in meinem Leben – sie bewegt mich, mir gefällt das Drumherum, die Mode. Ohne Musik könnte ich nicht leben, sie gibt mir Kraft.

Wenn Sie in der Früh ins Büro kommen, was hören Sie?

Meistens Jazz oder alte Blues-Songs, manchmal brauche ich aber auch ein Rock-Workout (lacht).

Die drei besten Rocksongs aller Zeiten?

Oh, schwierige Frage (die Antwort kommt aber sehr schnell, Anm.) – MC5 „Kick Out The Jams“,  „Baba O’Reilly“ von den Who und „No Fun“ von den Stooges.

Alles Bands mit Rebellen-Attitüde. Rebellion hat doch auch immer etwas mit Gewalt zu tun …

Ich weiß nicht, ob es nicht doch auch Rebellion ohne Gewalt gibt. Ich hab seit kurzem dieses Label (John Varvatos Records, Anm.). Gerade haben wir Badflower unter Vertrag genommen. Eine Band, die mich – nicht wegen ihrer Musik, aber wegen ihrer Art – an Nirvana erinnert. Da ist die gleiche Leidenschaft, die gleiche Aggressivität. Das hat aber überhaupt nichts mit Gewalt zu tun. In unserer Welt musst du aggressiv sein, um dir Gehör zu verschaffen.

Ihr wichtigster Mode-Ratschlag?

Sei du selbst. Wenn du in den Spiegel schaust, möchtest du gut aussehen, möchtest dich gut fühlen. Versuch trotzdem nicht, jemand anderer zu sein, sei du selbst.

Und wenn ich mir nicht ganz sicher bin, wie lerne ich mich besser kennen?

Indem du dich nicht zu sehr anstrengst. Wenn du in den Spiegel schaust und einen bestimmten Mantel anziehst, nur weil er gerade in ist, nicht weil du dich darin wohlfühlst, dann bist du wirklich nicht cool, du musst dich in deiner Haut schlicht wohlfühlen, sei also ehrlich zu dir selbst.

Ihr bevorzugtes Outfit?

Lederjacke, Jeans, T-Shirt und Stiefel.

Diese Geschichte ist erstmals im November 2015 erschienen.

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