In den Abgründen der Erinnerungen

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Ein Parfum, das uns an den Orient erinnert, an seine Blüten, an seine Gewürze – La Religieuse vom großen Serge Lutens

Wir waren über Syrien in die Türkei gekommen, damals, als noch Frieden herrschte. In Palmyra hatten wir uns tagsüber vor der Sonne verkrochen, stundenlang Backgammon gespielt und waren erst bei Einbruch der Dämmerung zur Burg hochgestiegen. In Aleppo hatten wir im Bazar über die farbprächtigen, intensiv duftenden Gewürze gestaunt, und abends hatten wir sie geschmeckt, bei stundenlangen Essen in den Lokalen der Reichen und Schönen.

Jetzt waren wir im türkischen Alanya. Im Hamam hatten wir uns die verbrannte Haut vom Körper schrubben lassen und beschlossen, hier die nächsten Wochen zu verbringen, in einem Holzhaus nahe am Meer. Dessen Eingang war von einem riesigen Jasmin überwuchert, und seine weißen Blüten verströmten einen intensiven, fröhlichen Duft … Daran musste ich denken, als ich das erste Mal Serge Lutens „La Religieuse“ (Die Nonne) probierte.

Bis die Erinnerung zurückkehrte dauerte es allerdings. Es war wie die Suche nach einem Wort, das einem auf der Zunge liegt, aber nicht sofort einfällt. Und dann war da noch dieser Satz, den ich über die Arbeit des heute 79-jährigen Serge Lutens gelesen hatte:  „Seine Düfte führen auf schmalen Stegen über Abgründe von Erinnerungen, bei denen man nicht einmal sicher sein kann, dass es die eigenen sind.“

Den Unisex-Duft „La Religieuse“ hat Lutens, wie so viele seiner bemerkenswerten Kreationen, gemeinsam mit Christopher Sheldrake kreiert. Gerne werden die Arbeiten des kongenialen Duos als vom Orient inspiriert beschrieben. Über seine „Section d’or“ hatte Lutens einst gesagt, sie sei wie ein Trennung, ein Schnitt, der zeitlose Erinnerungen zutage fördere. Und das gilt offenbar noch immer.

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La Religieuse. Jasmin und Weihrauch treffen auf Zibet, 50 ml Eau de Parfum, ca. 102 Euro 

*** Erstmals erschienen im April 2015

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