Auf Mykonos hat Replay gezeigt, wie die Jeans im Sommer 2016 aussehen werden. Ich habe mit CEO Matteo Sinigaglia über Denim, Zerstörung und Einzigartigkeit gesprochen
Matteo reckt lachend seine Rechte in die Höh’. Ich schlage grinsend ein. Er findet es grandios, dass ich am Vortag eine dieser destroyed Jeans, also eine mit Löchern und Rissen, gekauft habe, obwohl ich, wie er mit Kennerblick auf meine Hose meint, ein mid blue guy bin. Wir sitzen in der Lounge des Mykonos Blu, eines Fünf-Sterne-Hotels an einer der schönsten Buchten der Partyinsel, die jetzt, Anfang Mai, gerade zum Leben erwacht. Ich, der mid blue guy mit der Replay-Jeans im Gepäck, er, der Boss von Replay, und ich frage mich und dann Matteo, warum ein italienischer Brand seine Sommerkollektion fürs nächste Jahr ausgerechnet auf einer griechischen Insel präsentiert. Signore Sinigaglias offenherzige Antwort: „Unser Job gibt uns ein paar Privilegien, und eines dieser Privilegen ist es, dass wir uns Plätze aussuchen können, die wir lieben – ich finde diese Insel einfach zauberhaft.“
Trotzdem, eine Frage zum Geschäft. Woher kommt die Lust an der kontrollierten Zerstörung der Jeans? Das hat mit Authentizität zu tun. Stellen Sie sich vor, Sie dürften nur ein Stück Ihrer Garderobe behalten – mit Sicherheit bliebe Ihre Lieblingsjeans übrig. Nicht nur weil sie bequem ist, sondern weil sie eine Geschichte erzählt, Ihre Geschichte. Diese Hose ist ein Spiegel ihrer Persönlichkeit, sie offenbart Ihre Werte, reflektiert Ihre Einstellungen. Wir Menschen fühlen uns von echten Dingen angezogen, und nichts ist echter als used denim.
Signore Sinigaglia klingt wie ein Philosoph, wenn er Sätze wie diese von sich gibt. Selbstbewusst, ungeheuer überzeugend. Und ich habe keine Zweifel daran, dass used denim zumindest Absätze unserer Lebensgeschichte erzählt. Aber destroyed denim, also die künstlich gereifte Variante unserer Jeans,? Gaukelt sie nicht mehr Abenteuer vor, als wir tatsächlich erlebt haben? Schreibtischgedanken, zugegeben. Zurück nach Mykonos, praktische Fragen.
Welches Kleidungsstück ist die perfekte Ergänzung zu einer Jeans? (Matteo antwortet wie aus der Pistole geschossen) Ein schöne Lederjacke.
In Schwarz? Um ehrlich zu sein, ich mag blau. Ein weißes T-Shirt, blauer Denim und eine blaue Lederjacke. Ich glaube nicht, dass ein Mann mehr braucht. Damit kannst du hin, wohin immer du auch willst.
Geht Denim immer? Das hängt von dir ab. Es gibt Menschen, die in Jeans heiraten können. Und es gibt Menschen, denen Jeans nie passen werden. Ich selbst trage immer Jeans. Egal ob ich zur Bank oder zu einer Präsentation gehe. Natürlich ist Denim mein Geschäft, aber es ist auch mein Leben.
Sie tragen nie einen Anzug? Nein, höchstens ein Sakko.
Aber sieht ein Mann in einem Anzug nicht einfach besser aus? Mag sein, aber für mich gilt das nicht.
Lassen sich Jeans noch neu erfinden? Sicher. Immer wieder. Jeans waren einmal Arbeitskleidung, dann eine Ikone – denken Sie an James Dean, an Marlon Brando; fast eine Religion, wenn Sie sich an 1968 erinnern.
Wofür stehen Jeans heute, Rebellion kann es ja wohl nicht mehr sein? Denim macht dich unverwechselbar. Denim verrät dir, wer vor dir steht. Destroyed denim offenbart deine Einstellung, deine Haltung. Und die ist anders, wenn du mid blue denim trägst.
Was bin ich für ein Typ, wenn ich mid blue trage?
Diese Frage bleibt unbeantwortet. Aber Denim-Denker Matteo Sinigaglia sagt, er würde mich in einer „very nice destroyed“ Hose sehen. Und seither frage ich mich, was das heißt: Bin ich ein Hauch mehr Rock’n’Roll als ich bisher dachte? Darf ich mich jünger fühlen als ich es tu’? Ist es gut, die Kritzeleien von Replay-Designer Valerio Baronti zu akzeptieren und auf die Individualisierung von eigener Hand zu verzichten? Bin ich dann überhaupt noch authentisch? Und woher kommt die Lust an der kontrollierten Zerstörung?
Abends am Strand. Replay zeigt, was in der kommenden Saison angesagt ist. Die Löcher werden noch größer; alles wird beschmiert; und zum zerstörten Denim werden mit Gold und Silber laminierte Lederjacken kombiniert. In den besten Momenten dieser Show paart Glanz sich ganz selbstverständlich mit Chaos, Luxus mit Zerstörung. Und das ist nur auf den ersten Blick irritierend. Auf den zweiten ist es ein Abbild unserer Welt.
Based in Asolo. Replay gibt es seit 1978. In diesem Jahr ließ Claudio Buziol die Marke eintragen. Drei Jahre später gründet er den Modekonzern Fashionbox (Schwerpunkt Hemden, T-Shirts). Mitte der Nullerjahre lag der Umsatz bereits bei rund 350 Millionen Euro. 2009 übernahm die Equibox Holding SpA von Matteo und seinem Bruder Massimo Sinigaglia die Mehrheit der Fashionbox-Anteile, Matteo Sinigaglia wurde Fashionbox- und damit auch Replay-Chef.