Ferris der Freak – lange galt er als Reimemonster, inklusive Brachiallebensstil. Doch der Mann hat sich gewandelt. Sein neues Album beweist das
Das Album mit dem schönen Titel „Glück ohne Scherben“ ist eine interessante Mischung aus HipHop, Metal-Gitarren und Elektropop. Deutlich verschieden von seinen Arbeiten mit bzw. vor Deichkind. Im Interview sagt er: „Das ist eine andere Welt, die ich da aufmache.“ Tatsächlich macht diese Welt Spaß. Die Texte sind konzentrierte, pointierte Ministorys, musikalisch überraschen die Gitarren-Breitseiten, die Ferris (bürgerlich:Sascha Reimann) abfeuern lässt. Er selbst präsentiert sich – ähnlich wie seine Musik – als gereift. Keine Spur mehr vom Hitzkopf, der immer wieder Scherben hinterließ, ohne das Glück zu finden.
Nachdem ich „Die Zahnfee“ gehört hab’, war ich mir nicht mehr sicher, ob ich mich nicht doch vor dir fürchten muss. Schlägst du bei Bedarf tatsächlich Zähne aus – oder ist’s nur eine ganz besondere Attitüde? Ah, das ist ein Gag. Im Endeffekt ist es so, dass man nach einer Partynacht mit mir schon mal ohne Zähne aufwacht (lacht). Nicht, weil ich zugeschlagen habe, sondern weil ich vielleicht auf einem Punkrock-Konzert war und gepogt hab’…
Neigst du noch zum wilden Leben? Also ich hoffe, dass die Liveshow wildes Potenzial hat. Ich selbst bin sehr ruhig geworden.
Weil man irgendwann genug hat? Ich hab’ mir irgendwann die Hörner abgestoßen gehabt. Jetzt bin ich verheiratet, und da wird man automatisch ruhiger. Man übernimmt Verantwortung für sich, Verantwortung gegenüber seiner Frau. Und das beißt sich mit dem Hardcore-Rock’n’Roll-Lifestyle. Und dann hab’ ich auch durch die Drogenfreiheit eine neue Freiheit gefunden.
Ferris MC: Ich hab‘ mittlerweile einen gesunden Respekt vor Drogen.
Vermisst du das wilde Leben? Nö, gar nicht. Ich hab’ das richtig ausgelebt. Jetzt könnt’ ich das gar nicht mehr, weil die Regenerierungsphasen viel zu lang sind. Ich hab’ mittlerweile einen gesunden Respekt vor Drogen. Ich hätte Angst, wieder Türen aufzumachen, die ich gar nicht aufmachen möchte.
Weil grad die Sonne scheint: Wenn du in „Fensterlose Zeit“ „der Sommer kann kommen“ singst, klingt das, als wär’ eine Tragödie im Anmarsch – ist der Sommer für dich die falsche Jahreszeit? Nein, das soll eine positive Ansage sein. Der Sommer kann kommen, ich lasse das Licht zu.
Pessimist oder Optimist? Früher war ich sehr pessimistisch veranlagt. Mittlerweile ist alles im Einklang.
Warum jetzt eine Soloplatte, ist Deichkind nicht mehr so geil? Deichkind hat eine vorgegebene Marschrichtung, textlich haben wir uns da sehr eingegroovt, die Musikrichtung ist klar vorgegeben, die ist elektronisch, technoid vielleicht sogar, dieser ganze Kosmos spiegelt sich auf meinem Album nicht wider. Die Texte sind gradlinig, tief, aber nicht pseudointellektuell. Das ist eine andere Welt, die ich da aufmache.
Ferris MC: Die Toten Hosen sind ja jetzt mehr die Porsche-Punks.
Ist man irgendwann zu alt für Popmusik, um die Toten Hosen zu zitieren? Ich bin genau in dem Alter, wo man das zulässt. Ich finde, dass mein Album schon relativ poppig ist. Die Toten Hosen sind ja jetzt mehr die Porsche-Punks im Vergleich zu früher, im Vergleich zur Opel-Gang.
Was macht dir Freude? Musik finde ich am geilsten, wenn ich die Texte fertig habe.
Wen singst du in „Glück ohne Scherben“ an? Das sind ja wirklich schöne Zeilen: „Lass mich wieder glänzen, wenn es dunkel wird heut’ Nacht, lass mich für etwas kämpfen, das mich nicht nur kaputt macht. Lass mich etwas halten, das nicht sofort wieder zerfällt; hol mich raus hier aus meinem Verderben, bring Glück ohne Scherben.“ Die Interpretation möchte ich gerne den Zuhörern überlassen. Es kann eine Beschreibung sein – ich und meine Frau. Es kann aber auch sein, dass ich zu einer Art Gott rede; oder es kann auch sein, dass ich zu einer Gruppierung von Leuten rede, mit denen ich mich verbunden fühle. Ich fand es schlussendlich zu egoistisch, dabei nur an mich zu denken.
Das klingt, als wärst du glücklich? Ja, auf jeden Fall. Früher entstand mein Glück aus einem Scherbenhaufen. Meine Alben sind aus einem Scherbenhaufen entstanden, meine familiäre Situation war ein Scherbenhaufen, meine Lebenssituation als armer Junge mit null Perspektive war ein Scherbenhaufen, und jetzt ist es genau umgekehrt. Ich habe totales Glück, dass ich die Freiheit habe, genau das zu machen, was ich machen möchte.

Du nennst dich selbst eine Legende in „Kill Kill Kill“. Ich hab’ keine Selbstironie gehört, meinst du das ernst? Das ist natürlich ironisch gemeint, wobei ich mich schon als Legende sehe, weil ich zur ersten Street-Rap-Generation gehöre. Die Leute, die sich bei uns heute als Gangster-Rapper bezeichnen, diese Kopiererei aus Ami-Land, die geht mir total auf die Nerven.
Was hältst du von Nazar? Ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich kenne seine Musik. Aber manchmal habe ich das Gefühl, er kriegt nicht mehr so richtig die Kurve, weil ich nicht verstehe, was er ernst meint und was ironisch. Er hat schon so ein Gangsterattitüdending am Fahren, verarscht es aber auch manchmal. Ich bin mir nicht sicher, welchen Weg er da gehen möchte. Wir haben aber auf jeden Fall etwas gemeinsam, wir werden beide von Farid Bang gedisst.

Happy End. Das Lied, mein ich. Der Witz daran ist ja die veränderte Perspektive, das heißt, dass das, was man gemeinhin unter einem Happy End versteht (Die Zeile: „Diese Geschichte hat ein Happy End, denn ich hab’ mich von dir getrennt“, Anm.), was anderes ist. Du hast es voll verstanden (lacht).
Daran, dass ich es verstanden hab’, hab’ ich eh nicht gezweifelt. Für mich ist aber immer interessant, wie etwas entsteht. Wie war’s in diesem Fall? Das Lustige ist, dass schon ein bisschen was Autobiografisches drinsteckt, sonst wär’s ja gar nicht entstanden. Das ist einfach die Erfahrung, die ich gemacht habe, dass man es als Happy End empfinden kann, wenn man endlich einen Schlussstrich gezogen hat.
Schnitt. Die Schauspielerei – noch ein Thema für dich? Wir haben einen Piloten für eine Sitcom gemacht, für ZDF Neo, die spielt in Köln, das wird sehr lustig, da werden sieben, acht Folgen gedreht im Juli, August, September. In einem Film, der in den 1980er-Jahren spielt, spiel ich einen Luden (Zuhälter, Anm.), mit Vokuhila und allem, was sonst noch dazugehört. Und dann hab’ ich noch etwas gedreht, das darf ich noch nicht verraten, das kommt im Herbst. Aber das ist eine sehr große Geschichte gewesen.
Was ist der Unterschied zur Musik? Es ist schon einfacher, wenn du nur Text lernen musst (lacht). Das macht Spaß, ich finde das geil, immer in andere Rollen zu schlüpfen.
Weil wir schon beim Unterschied sind: Was unterscheidet den Sascha vom Ferris? Jetzt gibt es kaum noch Unterschiede. Ich trenn’ natürlich „privat“ vom „Geschäft“, ich weiß, dass alles vergänglich ist. Und weiß, dass man es genießen muss, wenn es so ist. Aber auch im Leben stehen muss, wenn es nicht mehr so ist. Es gibt immer Möglichkeiten, sein Brot zu verdienen. Man muss halt wieder aufstehen, wenn man fällt. Und man darf keine Angst haben zu fallen.